[Rezension] Das Labyrinth des Fauns


Das Labyrinth des Fauns – 

Cornelia Funke und Guillermo del Toro




[Freiexemplar]
★★★★★


Inhalt

Spanien, 1944: Ofelia zieht mit ihrer Mutter in die Berge, wo ihr neuer Stiefvater mit seiner Truppe stationiert ist. Der dichte Wald, der ihr neues Zuhause umgibt, wird für Ofelia zur Zufluchtsstätte vor ihrem unbarmherzigen Stiefvater: ein Königreich voller verzauberter Orte und magischer Wesen. Ein geheimnisvoller Faun stellt dem Mädchen drei Aufgaben. Besteht sie diese, ist sie die lang gesuchte Prinzessin des Reiches. Immer tiefer wird Ofelia in eine phantastische Welt hineingezogen, die wundervoll ist und grausam zugleich. Kann Unschuld über das Böse siegen?

Zum Schreibstil

Die Geschichte ist wieder in dem typisch märchenhaft-phantastischen Schreibstil erzählt, der mich an einigen Stellen an „Reckless“ erinnert hat, allerdings spürt man hin und wieder, dass das Buch in Englisch gedacht und geschrieben worden ist. Manchmal war es für mich tatsächlich etwas holprig zu lesen. Es könnte durch die Übersetzung kommen, aber oft hatte ich eher das Gefühl, dass die Wahrheit und die Aussagen hinter den Worten schlicht und einfach nicht immer so schnell auf der Hand gelegen haben und man deshalb etwa mehr Mitdenken musste, was meinen Lesefluss zum Stück beeinträchtigt hat.

Zu den Charakteren

Da „Das Labyrinth des Fauns“ eine Adaption von dem Film „Pans Labyrinth“ ist, sind die Charaktere keine Eigenkreation. Sie hatten bereits ein Innenleben, bevor sich Cornelia Funke ihnen gewidmet hat. Cornelia Funke schafft es aber, ihnen durch Gedanken und eine erweiterte Vorgeschichte weiter Leben einzuhauchen. Sie wirken so authentisch, dass man nicht anders kann, als erschrocken, fast angewidert Vidals Stimme zu lauschen, Mercedes unglaublichen Mut und ihre Stärke zu bewundern, ungläubig und wütend vor Carmens schicksalhafter Ergebenheit, ihrer Schwäche und Passivität zu stehen, aber auch Ofelias heroische Entwicklung mitzuerleben.
Der Faun und die magischen Wesen schmücken das Geschehen und treiben es an; die „reale“ Welt wirkt doch greifbarer. Selbst der Faun bleibt bis zu guter Letzt ein zwiespältiges Wesen mit einem doppelten Gesicht. Wunderbar abgerundet werden die Charaktere und der Plot durch die kurzen Märchensequenzen, welche die Hauptstory durchbrechen, gleichzeitig aber auch ergänzen. Sie korrespondieren auf metaphorischer Ebene mit den Figuren und reichern deren Charakter und Bedeutung symbolisch an. 

Zu der der Botschaft der Geschichte

Für mich ist die Message des Buches immer noch schwer zu greifen oder in Wort zu fassen, weil es um mehr geht, als man mit Worten erklären kann. So ging es mir zumindest. Es ist mehr ein Gefühl – oder Gefühle, die die Geschichte begleiten und einen „sehen“ und erkennen lassen. Ofelias Geschichte erzählt trotz fantastischer Elemente von unserer realen, alltäglichen Welt, von dem menschlich Bösen, von Wut, Unbarmherzigkeit, Hass, Angst, Verzweiflung, aber auch von menschlichen Stärken wie Hoffnung, Mut, Gedanken, Träumen und Phantasie. Menschlichkeit und Unmenschlichkeit sind nur zwei Seiten einer Medaille und das Potential liegt in jedem einzelnen von uns verborgen. Cornelia Funke und Guillermo del Toro führen aus, dass es aber unsere Entscheidungen sind, die letztendlich uns definieren und unser Schicksal bestimmen. Manchmal ist wenig Menschlichkeit auf der Welt zu sehen, aber sie ist immer da. Manchmal muss sie erkämpft werden, manchmal fordert sie auch Mut und Opfer, um Reinheit, Mitgefühl, Güte, Hilfsbereitschaft wieder emporzuheben und Hoffnung zu schenken.


Fazit

Ich bin seit Kindertagen ein riesiger Fan der Autorin. Cornelia Funke ist für mich nicht nur dank ihrer wunderbaren Geschichten ein Idol, sondern auch durch ihre herausragende Erzählkunst. 
„Das Labyrinth des Fauns“ ist – offen gesagt – nicht mein liebstes ihrer Bücher, gleichwohl ist es dasjenige, das eine der stärksten Botschaften mit sich trägt. Es verspricht nicht nur Abenteuer und Fantasy, sondern regt zum Nachdenken an und lässt einen viel fühlen – auch wenn diese Gefühle nicht immer wohligwarm sind, sondern eben zur Abwechslung auch düster, verunsichernd, erschreckend realistisch und abgrundtief.

Man sollte sich definitiv vor Augen halten, dass „Das Labyrinth des Fauns“ seine Wurzeln in der filmischen Vorlage hat und Storyline und Charaktere schon VOR der Adaption als Buch durch Guillermo del Toro zum Leben erweckt worden sind. Cornelia Funke schafft es aber meiner Meinung nach wunderbar etwas „Fremdes“ für sich zu adaptieren und im eigenen Stil angereichert und in einem anderen Medium wiederzugeben. 
Ich kenne den Film noch nicht, konnte mir während des Lesens aber bildhaft vorstellen, wie er sein muss. Die Message der Geschichte ist gerade in der heutigen Zeit so aktuell wie eh und je und das Buch transportiert diese eben nicht auf visuelle Art, aber doch auf eigene, vertiefte Weise mit Hilfe er Magie der Wörter und Gedanken. 

Das Leben kann erschreckend grausam sein, voller Leid und Gewalt, aber auch wundervolle Lichtblicke haben, solange es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen. Das Buch lässt einen „Stärke“ und „Schwäche“ neu überdenken und regt zu der Frage an, welche Seite man selbst nähren möchte. Jeder von uns hat die Voraussetzungen erhalten, derjenige zu sein, der dem Licht folgt, für andere da ist und somit die Welt ein klein wenig zum Guten verändert. Wie Ofelia müssen wir uns nur Kreidetüren in unsere eigenen inneren Schrecken zeichnen, sie überwinden und fortschreiten ins Licht, in unser eigenes magisches Reich. 

Ich gebe 4,5/5 Sternen, mit kleinen Kritikpunkten zum Schreibstil und weil es eben kein typisches Cornelia Funke Buch ist. Der Qualität der zugrundeliegenden Geschichte und der Adaption tut dies aber keinen Abbruch. Cornelia Funke gibt Ofelias Geschichte bloß ein neues Sprachrohr, um gehört zu werden, und eine würdige neue Form, die durch begleitende Illustrationen wundervoll ausgeschmückt wird. 




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