Ein Jahr mit Dir – Julia Whelan
Rezensionsexemplar
Penguin Verlag (14. Januar 2019)
★ ★ ★ ★ ☆
Inhalt
Ella ist eine der wenigen Rhodes-Stipendiaten,
die ein Studienjahr im auserlesenen Kreise der Oxford-Universität verbringen dürfen.
Ihr Ziel, in der amerikanischen Politik tätig zu sein, scheint durch ihre
Disziplin, ihren Ehrgeiz und ihren scharfen Verstand so klar organisiert zu
sein wie ihr restliches Leben.
Nachdem sie sich in der mit Turmspitzen übersäten
malerischen Kleinstadt einfindet, an welcher der historische Glanz der Reichen
und Intellektuellen anhaftet, hat sie recht bald ein unangenehmes
Aufeinandertreffen mit einem betrunkenen „reichen Schnösel“. Leider entpuppt
sich dieser wenig später als ihr Aushilfeprofessor ihres Literaturseminar und
stellt sich als James Davenport vor. Als sich Ella und James nach poetischen
Diskussionen und einem Pub Besuch näher kommen, entwickelt sich etwas zwischen
ihnen, was Ella nicht vorhergesehen hat. Doch sie weiß nichts von James dunklem
Geheimnis, das ihre zukünftigen Pläne und ihre Herzenswünsche aus dem Lot
werfen und sie alles hinterfragen lassen könnte.
Bewertung
Die Geschichte von Elle und James fängt als eine Art
„New Adult Roman“ an, in welchem die Protagonistin, eine Studentin, auf einen reichen,
charmanten, aber auch unausstehlichen Mann trifft, mit dem sie schlagfertige Wortgefechte
führt. Das unsichtbare Prickeln zwischen den beiden ist von Anbeginn spürbar, die
körperliche Attraktivität nimmt aber recht schnell eine bedeutungsvollere Ebene
an, da die Gespräche über Poesie unausgesprochene Emotionen vermitteln und
damit die seelischen Tiefen der beiden nicht nur dem Leser, sondern auch dem
Gesprächspartner offenbaren.
Elle und James gehen zu Anbeginn nur eine Affäre ein.
Dass diese körperliche Nähe nicht allzu bedeutend für den Fortgang der Handlung
ist, wird schnell klar. Die Autorin lässt Elle diese Phase zusammenfassend nacherzählen
und die Wochen vergehen damit auch für den Leser „wie im Flug“. Dieses Vorgehen
passt zum Inhalt der Geschichte, hat für mich die intensive Teilnahme beim
Lesen an einigen Stellen etwas „gestört“. Mit der „verliebten“ Hochphase und
das aufeinander Einlassen wendet sich auch der Stil des Romans und Elle kommt
nach einer längeren Zeitspanne (endlich) hinter die Gründe von James heimlichtuerischen
Verhaltens. Er leidet, wie sein verstorbener Bruder, an einem genetisch
bedingten, unheilbaren Blutkrebs. Der Roman bringt in seinem Fortgang auf
berührende Weise zum Ausdruck, wie nicht nur James Leben, sondern auch das von
Elle und seiner Familie durch seine Diagnose, die nervenzehrenden Behandlungen
und das ungewisse Ende geprägt werden. Die Poesie spielt dabei immer wieder
eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Emotionen, Ängsten und den Umgang
mit dem Leben und der Liebe. Diese Facette hat mir wirklich sehr gut gefallen
und auch die Thematisierung von der Krankheit und ihrer Behandlung haben dem Buch keine zu große
Schwere oder Bedrücktheit vermittelt, obwohl sie die Handlung und die Konflikte
(natürlich) antreiben. Für mich hat es sich eher wie eine Aussprache für das
LEBEN und nicht den Tod angefühlt. Die familiären Konflikte innerhalb von James
reichem Elternhaus und ihre Beziehung zu Elle (die anfangs als Störfaktor für
eine Genesung angesehen wird) dominieren vor allem die zweite Hälfte des
Buches. Sie nehmen den Fokus etwas von der Liebesbeziehung, lassen die Geschichte
aber auch lebensnah wirken und geben ihm eine ganz eigene Note.
Als kleine Schwächen sind für mich die Nebenplots zu
nennen, die für mich nicht immer unbedingt essentiell für die Geschichte
gewesen sind, obwohl sie an der Hauptthematik anknüpfen, aber recht
oberflächlich gehalten werden. Dazu zählen die Beziehung zwischen Tom und
Maggi, aber auch Elles (romantische) Beziehung zu einem weiteren Kommilitonen aus
Oxford.
Fazit
Ein herzerwärmender Roman über das Leben und die
Ausdruckskraft der Poesie, über Träume, Liebe, Familie und den Umgang mit der
Zeit, die einem zusammen gegeben ist. Er ähnelt vom grundlegenden Konzept her
dem Bestseller „Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes“, insofern als auch hier ein
bevorstehender Tod den Fortgang der Handlung bestimmt, aber die Umsetzung, die Charaktere
und die Nebenstränge geben der Story eine ganz eigene Note, die noch einmal
durch Oxford und die Thematisierung der Poesie geprägt wird. Für mich ein echt
schöner Liebesroman mit teilweise lustigen, süßen aber auch bittersüßen Szenen.
Aufgrund der vorher genannten, kleineren Schwächen gibt es von mir 4+/5
Sterne und eine klare Leseempfehlung für all diejenigen, die sich emotional
vom Leben und der Poesie berühren lassen wollen.